Manchmal braucht es einen Zufall, um ein Projekt ein gutes Stück weiterzubringen: Auf LinkedIn stieß ich vor einigen Wochen auf eine Auswertung zu Wählermeinungen – aufgeschlüsselt nach Sinus-Milieus. Das passte super zu einer Storytheorie, die ich schon eine ganze Weile mit mir herumtrage: Der Storyteppich. 

Ein Storyteppich bringt Geschichtenfäden zusammen

Warum scheitert klassisches Storytelling heute so oft? Weil wir in einer fragmentierten Gesellschaft leben, in der eine Geschichte längst nicht mehr alle erreicht. Wir erzählen begeistert von Nachhaltigkeit und wundern uns, warum manche Zielgruppen abschalten. Wir sprechen mit Leidenschaft über digitale Transformation und verstehen nicht, warum einige Teams blockieren.

 

Der Grund? Bevor Menschen überhaupt bereit sind, sich auf ein Thema einzulassen, beschmeißen wir sie von oben herab mit allem, was wir für wichtig halten. Erst einmal, müssen aber emotionale Barrieren ernst genommen und aufgelöst werden. Geschichten können hier als „Türöffner“ wirken – aber nur, wenn sie an den richtigen emotionalen Zugangspunkten ansetzen.

 

Hier setzt mein Storyteppich-Konzept an: statt einer großen Geschichte für alle entwickeln wir einen „Teppich“ aus vielen kleinen, miteinander verwobenen Geschichten – jede strategisch auf die emotionalen Bedürfnisse einer spezifischen Zielgruppe, eine emotionale Haltung und einen Vorwissensstand zugeschnitten. Wie ein kunstvoller Wandteppich bietet er verschiedene Einstiegspunkte in ein größeres Thema. Die Zielgruppe kann sich von Knotenpunkt, zu Knotenpunkt tiefer in ein Thema bewegen.

Augen-Schublade im Muppets Workshop, New York

Niemand findet jede Ecke gleich spannend

 

Die Sinus-Milieus sind ein wissenschaftlich fundiertes Gesellschafts- und Zielgruppenmodell, das Menschen nach ihrer Grundorientierung (Werte, Einstellungen) und ihrer sozialen Lage gruppiert. Anders als klassische demografische Merkmale wie Alter oder Einkommen erfassen sie die tatsächlichen Lebenswelten der Menschen – ihre Wertvorstellungen, Lebensstile, Ästhetiken und Konsumpräferenzen.

 

In Deutschland werden aktuell zehn Sinus-Milieus unterschieden – von den Konservativ-Gehobenen über die Postmateriellen und Neo-Ökologischen bis hin zu den Prekären und Nostalgisch-Bürgerlichen. Und das kommt uns im Storytelling massiv zugute. Denn wenn wir die Geschichtenknotenpunkte über die Sinus-Milieus legen, haben wir Koordinatensystem für wirkungsvolle, emotionale Stories.

 

Wofür eignet sich das am besten? Von Change-Kommunikation in Unternehmen über gesellschaftspolitische Themen wie Klimaschutz bis hin zu komplexen Produktkampagnen mit heterogenen Zielgruppen. Überall dort, wo Deine Botschaft auf emotionale Widerstände stößt oder wo unterschiedliche Wertesysteme aufeinanderprallen, entfaltet der Storyteppich seine volle Kraft. Er verwandelt Kommunikationsbarrieren in Brücken.

 

Wie Du Sinus-Milieus praktisch für Deinen Storyteppich nutzt:

  1. Identifiziere Deine Zielgruppen-Milieus: Welche Milieus möchtest Du erreichen? Welche sind für Dein Thema besonders relevant?
  2. Verstehe die Werteorientierung: Recherchiere, was diesen Milieus wichtig ist. Was treibt sie an? Was lehnen sie ab?
  3. Entwickele milieuspezifische Narrative: Kreieren für jedes relevante Milieu maßgeschneiderte Geschichten, die deren spezifische Bedürfnisse und Werte anspricht.
  4. Verknüpfe die Einzelgeschichten: Stelle sicher, dass alle Geschichten Teil eines kohärenten Gesamtbildes sind – des Storyteppichs.

Natürlich ist die gesamte Theorie etwas komplexer. Dazu dann in den nächsten Wochen mehr.

 

Geschichten als Denkräume

Mit dem Storyteppich biete ich eine Theorie an, die es ermöglicht, Milieus als Story-Räume zu begreifen. Um in diese Räume eingeladen zu werden, und sie mitgestalten zu können, muss man deren Sprache sprechen und an ihre Geschichten, Bedürfnisse und Ziele anknüpfen. Geschichten geben Freiräume, um über Themen nachzudenken, aber auch sie innerhalb der Gruppe oder über Gruppen hinweg auszuhandeln. Deshalb eignet sich der Storyteppich auch gerade für größere gesellschaftliche Themen.